DIE TRADITION DES SANKT-URBANTAGES

Matthias Burkhardt

„Es geschah an einem Maientag in Kühlungsborn. Die Eisheiligen waren längst vorüber. Plötzlich zog am zunächst heiteren Himmel ein Gewitter auf. Ein heftiger Regenguss pladderte auf die Erde, begleitet von Blitzen und Donner. Dem Regenguss folgte Hagelschlag, mehrere Minuten lang. Besorgt blickte ich in den Garten. Eine Hagelschicht bedeckte Beete und Rasen. Aber sehr bald hellte sich der Himmel wieder auf, und das kurze Unwetter war wieder vergessen. Eine Stunde später traf ich in der Strandstraße eine in Brunshaupten geborene und aufgewachsene ältere Frau. Sie sprach mich an: „Haben Sie gemerkt, dass heute der Sankt- Urbanstag ist?“ Viele in Brunshaupten und Arendsee aufgewachsene ältere Leute wissen genau, dass der 25. Mai ein besonderer Tag ist.

Urbanstag 1910 – Sammlung Kirchenchronik

Was hat aber der heilige Urban mit Brunshaupten/Arendsee zu tun? Wer war Urban überhaupt? Er lebte im 2. und 3. nachchristlichen Jahrhundert in Rom. Viele fromme Legenden werden von ihm erzählt. Historisch gesichert ist, dass er von 222 bis 230 Bischof der Stadt Rom war. Er starb wie unzählige Christen in dieser Zeit den Märtyrertod und wird darum als Heiliger verehrt. Der 25. Mai 230 ist als sein Todestag überliefert. Er gilt als der Schutzheilige der Winzer, der Küfer, des Weines und der Weinberge. Er wurde verehrt, um Schutz vor Frost, Gewitter und Trunkenheit zu finden. In Weinbaugebieten ist der Heilige Urban besonders populär. Eine Bauernregel ist dort bekannt:

„Hat Urbanstag viel Sonnenschein, verspricht er viel und guten Wein.“

Nun ist unsere Gegend weder ein Weinbaugebiet noch gibt es hier eine besondere katholische Tradition, denn seit 1549 ist Mecklenburg ein evangelisches Land, in dem der alte Heiligenkalender kaum noch eine Rolle spielt.

Es waren schon damals die regelmäßigen Abgaben festgelegt, die am Urbanstag an die Pfarre zu entrichten waren. (Bis 1918 wurden ja die Dienste der Pastoren durch Naturalabgaben vergütet.) Aus dieser festen Ordnung lässt sich schließen, dass die besondere Urbantradition in der Kirchgemeinde Brunshaupten auf ein Erlebnis in vorreformatorischer Zeit zurückgeht. Ein annähernd genaues Datum dieses Ereignisses gibt es leider nicht. Möglicherweise wurde über Jahrhunderte dieses wundersame Ereignis weitererzählt und, wie das bei mündlicher Überlieferung nicht auszuschließen ist, im Laufe der Zeit fantasievoll ausgeschmückt.

Feststeht, dass in dem Landstrich zwischen Kühlung und Meer oft ein ganz besonderes Klima herrscht. Häufig haben gerade hier schlimme Unwetter getobt, besonders in der zweiten Maihälfte, von denen die Menschen südlich der Kühlung kaum etwas verspürten. Alte Kühlungsborner können das aus ihrer Lebenserfahrung bestätigen. So hat es irgendwann im späten Mittelalter ein besonders schlimmes Unwetter gegeben. Mehrere Tage lang blitzte, donnerte und schüttete es vom Himmel. Die Felder waren überschwemmt, die Saat vernichtet. Die von Angst getriebenen Einwohner von Brunshaupten, Arendsee und Fulgen glaubten, der Weltuntergang habe begonnen. Alle versammelten sich in ihrer alten Kirche, dem Zufluchtsort in schlimmen Zeiten. Tagelang rissen die flehentlichen Gebete nicht ab. (Bis heute ist es so, dass die Menschen nach besonders erschreckenden, furchtbaren Ereignissen in ihre Gotteshäuser strömen, auch wenn sie sich schon lange nicht mehr als gläubige Menschen bezeichnen.) Und die Legende berichtet, dass nach einer gewissen Zeit ganz unversehens die Sonne wieder ihre Strahlen durch die Kirchenfenster sandte. Das Unwetter war vorüber. Als man auf den Kalender schaute, war es der 25. Mai, der Namenstag des heiligen Urban.

Dieses Ereignis blieb den Menschen in Erinnerung. Aus Dankbarkeit für die gnädige Errettung gelobte man, jeden 25. Mai als Feiertag mit festlichen Gottesdiensten zu begehen.

Der Sankt-Urbanstag wurde von der Bevölkerung fast so heilig gehalten wie der Karfreitag. Es herrschte strenge Arbeitsruhe. Immer wieder berichtet die Legende, dass diejenigen, die an diesem heiligen Tag doch arbeiteten, auf schreckliche Weise verunglückten. So soll ein Mann, der am Urbanstag auf eine Pappel stieg, um ein Krähennest auszunehmen, herabgestürzt und zu Tode gekommen sein. Ein Bauer, der es wagte, an diesem Tag zu pflügen, wurde prompt vom Blitz erschlagen. Dergleichen Horrorgeschichten gibt es etliche. So verbanden die Menschen eine fast abergläubische heidnische Angst mit diesem Tag. Es überwog freilich die Freude und Dankbarkeit über die Erfahrung von Rettung in großer Not.

Der Staat respektierte und sanktionierte diesen besonderen Feiertag der Gemeinde Brunshaupten/Arendsee durch entsprechende Verlautbarungen.

Sogar in der Weimarer Republik fand der Sankt-Urbanstag Anerkennung. Erst die Nazis bereiteten dieser besonderen Tradition ein jähes Ende. Pastor Heinrich Schreiber schreibt in die Pfarrchronik:

‚Die Feier dieses Tages hat sich bis in das Jahr 1934 (einschließlich) erhalten.

Am 24. Mai 1935, also am Tag vor der Urbansfeier erhielt ich von der Gemeindeverwaltung folgendes Schreiben:

St. Urbanstag.
Durch das Reichsgesetz vom 16.3.1934 über den Schutz der Sonn- und Feiertage sind die
landesgesetzlichen Bestimmungen außer Kraft gesetzt. Unter diese gesetzliche Verordnung
fallen auch die Bestimmungen über den St. Urbanstag (25.Mai). Dieser Tag ist daher für
die Ortschaften Brunshaupten und Arendsee kein Feiertag mehr.
Ostseebad Brunshaupten und Arendsee,
den 23.5.35
Heil Hitler
gez. Harm gez. Krieg
Bürgermeister’

‚Das ist also das Ende unserer Urbansfeier.‘ So kommentiert Heinrich Schreiber mit deutlicher Enttäuschung das Verbot des St. Urbanstages. Diesen Satz verbessert er später:

‚Das ist also zwar nicht das Ende unserer Urbansfeier, wohl aber eine Beeinträchtigung, denn viele werden nun durch Ausüben ihres Berufes am Besuch des Gotteshauses verhindert.‘

Am 22. September 1935 berichtet Heinrich Schreiber in der Pfarrchronik von einem schweren Gewitter, das in Brunshaupten die Scheune auf dem Bauernhof von Schlachter Never in Brand setzte. In Arendsee schlugen Blitze gleich an fünf Stellen ein. Von 19 bis 22 Uhr dauerte das Unwetter. Schreiber schreibt die Meinung des Volkes auf:

‚Das kommt, weil Urban kein gesetzlicher Feiertag mehr ist.‘

Es zeigte sich, dass eine alte, volkstümliche Tradition auch durch das Verbot eines autoritären Regimes nicht ausgelöscht werden kann. Immer dann, wenn der 25. Mai auf einen Sonntag fällt, wird in unserer alten Kirche ein St.-Urbans-Gottesdienst nach alten gottesdienstlichen Vorlagen gefeiert. Vielleicht gelingt es, diese alte volkstümliche Tradition künftig mit einem Ökumenischen Gottesdienst und einem richtigen Volksfest zu pflegen. Damit hätte Kühlungsborn wieder etwas ganz Besonderes zurückgewonnen.“

Weitere Mitteilungen zum St. Urbanstag

Ostsee-Bote, 24.05.1904
Am St.-Urbanstage (Mittwoch, 25. Mai) soll die Periode der Nachtfröste in unseren Breiten endgültig ihr Ende finden. Aus diesem Grunde ist St. Urban ebenso volkstümlich wie es die „3 Gestrengen“ sind, als deren verspäteter Nachläufer er oft mit Recht gefürchtet wird. „St. Urban ohne Regen, bringt für den Landmann Segen“, „St. Urban gar ist streng fürwahr“, „So wie der Urban pflegt zu sein, so glaubt man, daß gerät der Wein“, heißt es in den Bauernregeln. Hoffen wir also auf einen guten Verlauf dieses Tages. Im Kirchspiel Brunshaupten ist der Tag bekanntlich gefürchtet und ruht an demselben die Arbeit, insbesondere die Fischerei, auch findet in der Kirche zu Brunshaupten seit langer Zeit alljährlich an diesem Tage Gottesdienst statt.

Ostsee-Bote, 23.05.1905
Sankt Urban fällt auf den 25. Mai. Gleich den in diesem Jahre gut vorübergegangenen drei Gestrengen ist auch dieser Tag im Volksglauben gefürchtet, da er gewissermaßen als vierter Eisheiliger angesehen wird. Hoffentlich verfährt er aber ebenso gelinde als sein Vorgänger, denn „ist Urban ohne Regen, so verspricht er großen Segen, wenn er aber kein gut Wetter hält, das Weinfaß in die Pfütze fällt.“ Im Kirchspiel Brunshaupten ist der Tag bekanntlich gefürchtet und ruht an demselben die Arbeit, insbesondere die Fischerei, auch findet in der Kirche zu Brunshaupten seit langer Zeit alljährlich an diesem Tage Gottesdienst statt.

Ostsee-Bote, 24.05.1905
Am Donnerstag feierten die zu einer Kirchgemeinde vereinigten Orte Arendsee-Brunshaupten-Fulgen den Urbanstag. Da diese Feier sonst nirgends im ganzen Lande besteht, erweckt sie noch immer besonderes Interesse auch für solche, die nicht in der Gemeinde wohnen. Die Feier des Urbantages in Brunshaupten ist sehr alt. Schon 1640 bestand sie sehr lange. In der Schrift „Vom schönen Ostseestrand“, die ein Abriß der Gemeindegeschichte enthält, ist die treffende Urkunde mitgeteilt. Dort heißt es von dem Jahre 1640: „Auf Urbanitag wird gepredigt; so gibt jeder Baumann 10 Eier und ein Brot, die Käter jeder 3 Pfg., und der Hof vor jeder Wüstebaw-stätt 10 Eier, ist von drey stätten 30, und 40 vom Hofe, ist in gesampt 70 Eier, dazu 7 Brode.“ Die Nöte des 30jährigen Krieges hat das Urbanfest überdauert, und ob auch genannte Lieferungen in Fortfall gekommen sind, der Tag wird noch jetzt als Gedenktag in der Gemeinde gefeiert. Anlaß dazu gab ein heftiges Gewitter, das 3 oder nach anderen Berichten gar 8 Tage über unsern Dörfern stand, bis die Bewohner am Urbanstage im Gotteshaus zusammenkamen und dort um Abwendung des Unwetters flehten. Als sie aus der Kirche kamen, begrüßten sie der lang entbehrte erste Sonnenstrahl und der Bogen des Friedens in den Wolken. Da versprachen die Einwohner, diesen Tag für immer als Festtag mit Gottesdienst zu feiern, und alle Arbeit sollte an ihm ruhen wie an einem hohen kirchlichen Feiertage. Das ist streng innegehalten, durfte an diesem Tage in früheren Zeiten doch nicht einmal Feuer auf dem Herde angezündet werden.

Im „Kirche und Zentralblatt“ 1904 veröffentlichter Beitrag:

„Die dort von Pastor Klingenberg erzählte heitere Geschichte mag auch hier aufbewahrt werden. Im ersten Sommer, als Pastor Klingenberg in Bruns­haupten amtierte, unterhielten sich zwei Badegäste über die Feier des Urbanstages, ohne jedoch den Namen dieses Tages zu wissen. Um ihn zu erfahren, fragte einer der Herren den vorübergehenden Wirt: ‚Sagen Sie mal, wie heißt doch der neue Heilige, den Sie hier verehren?‘ ‚Klingenberg‘, antwortete prompt der Befragte.“

„Eine eigenartige Feier, die des St. Urbanstages, hat sich von katholischer Zeit her bis heute in Bruns­haupten erhalten. Anlaß zu ihr gab es kräftiges Gewitter, das drei oder nach anderer Lesart acht Tage über Brunshaupten stand und nicht weichen wollte. Am Tage St. Urban, Mai 25, flehten die geängstigten Bewohner zu diesem Heiligen, daß er das Unheil wenden möge, und alsbald zog das Gewitter seewärts. Zum Andenken an solche Errettung wird noch jetzt in der Brunshauptener Kirche an jedem 25. Mai Gottesdienst gehalten; es ruht dann alle Arbeit, auch das Fischen. Nächst dem Charfreitag hat kein Tag im Jahre einen solchen Kirchenbesuch aufzuweisen wie der Urbanstag.“

Heiliger Urban: Bischof von Rom von 222 bis 230

Patron gegen Gewitter und Blitz, Frost, Gicht und Trunkenheit sowie Patron der Weinberge, des Weines, der Winzer und Küfer

Regenvorhang mit Blitzen. Foto Xabier Gezuraga Jáuregi In Europäischer Meteorologischer Kalender 2011-5

Bauernregeln (für den 25. Mai):

Die Witterung an Sankt-Urban zeigt des Herbstes Wetter an.
Wie‘s Wetter am Sankt-Urbanstag, so der Herbst wohl werden mag.
Wie sich das Wetter auf Sankt-Urban verhält, so ist‘s noch 20 Tag‘ bestellt.
Sankt-Clemens uns den Winter bringt, Sankt-Petri Stuhl den Frühling winkt, den Sommer bringt uns Sankt-Urban, der Herbst fängt um Bartholomäi an.
Sankt-Urban hell und rein, segnet die Fässer ein.

HEXENVERFOLGUNG AUCH IN BRUNSHAUPTEN UND ARENDSEE

Jürgen Jahncke

Im 16. und 17. Jahrhundert wurden in Neubukow 20 Personen wegen Hexerei angeklagt. Zwischen 1669 und 1671 häuften sich diese Prozesse, nach denen 12 Angeklagte am Pfahl auf dem Scheiterhaufen öffentlich verbrannt wurden. Dem Angeklagten David Lütken gelang vermutlich während seines Prozesses die Flucht. Diese sich ausweitenden Hinrichtungen in einem solch kurzen Zeitraum sind wohl nur dadurch zu erklären, dass den Angeklagten unter Folter Namen von anderen unschuldigen Personen abgepresst worden waren, denen anschließend ebenfalls der Prozess wegen Hexerei gemacht wurde.

Ähnliches geschah im gleichen Zeitraum in Brunshaupten und Arendsee. Zwischen 1569 und 1698 wurden 19 Personen aus Arendsee (2) und aus Brunshaupten (17) des gleichen Geschehens beschuldigt. Insgesamt wurden 5 Personen am Pfahl auf dem Scheiterhaufen verbrannt und 2 enthauptet. Eine Frau erhielt eine Gefängnisstrafe, eine andere verübte nach der Folter Selbstmord. 7 Angeklagte wurden auf Bewährung freigesprochen. Einem Mann gelang die Flucht, von 3 Personen liegen die Ergebnisse der Prozesse nicht vor. Im Jahre 1653 standen 6 Brunshauptener unter Anklage wegen Hexerei, vermutlich aufgrund von Erpressung durch Folter oder Denunzierung, Streitigkeiten, Neid, Missgunst oder Gerüchten.

Nach Auffassung der Kirche war im 13. Jahrhundert der „Glaube an Hexerei“ eine heidnische Irrlehre, der durch Bußen und Ausschluss aus der Gemeinschaft geahndet wurde. Doch der Beginn der sogenannten „Kleinen Eiszeit“ im 15. Jahrhundert, der Ausbruch der spätmittelalterlichen Agrarkrise mit ihren Hungersnöten, das Wüten der Schwarzen Pest und die erfolgreiche Reformation sowie der Dreißigjährige Krieg führten zur Verunsicherung der Menschen, zu Angst und Schrecken, und offenbarte auch, dass die Kirche auf fundamentale Fragen keine klare Antwort hatte. Das führte wiederum zur Erschütterung des bisherigen Weltbildes und steigerte die Erwartung einer nahen Apokalypse. Als Verursacherinnen und Hauptschuldige dieser Situation galten die Hexen, deren Verfolgung sich zu einer wahren Massenhysterie ausweitete, bei der Staatsgewalt, beide Kirchen und das Volk in ihren Ansichten meist übereinstimmten.

Die vorherrschende Einstellung, dass Frauen eine niedrigere Wertigkeit als Männer besitzen und deshalb ein leichtes Einfallstor für das Böse sind, führte zu einer höheren Zahl der Verurteilungen von Frauen. Vor allem unterstellte man ihnen den Schadenzauber (Vergiftung von Vieh, Anhexen von Krankheiten, Brunnenvergiftungen, Auftreten von Gewittern, Missernten).

Die Angeprangerten sollten angeblich über geheimes Wissen und außerordentliche Kräfte verfügen. Weil Hexerei nach damaliger Überzeugung stets einen Teufelsbund einschloss, wurde sie als todeswürdig erachtet.

Motive materieller Art spielten bei den zahlreichen Hexenprozessen eine große Rolle. Streitigkeiten mit Nachbarn, Antipathie, Neid, Missgunst und Gerüchte waren zumeist der Auslöser für eine Hexenverfolgung. Die Verfahren lagen in den Händen weltlicher Institutionen, die Urteile sprachen die staatlichen Gerichte. Einige Universitäten, so auch die Rostocker Alma mater, unterstützten sogar theoretisch die Verfolgung von Hexen, und nach der Erfindung des Buchdrucks verbreiteten sich sehr schnell Vorstellungen von Zauberei und Hexerei sowie Methoden ihrer Bekämpfung.

Ein „Geständnis“, durch Androhung von Gewalt oder durch Folter erzielt, stand im Mittelpunkt der Hexenprozesse. Ziel solcher Geständnisse war das Bekenntnis, mit dem Teufel im Bunde zu stehen, Reue zu zeigen und Namen von Mitverschwörern zu nennen. Da keine Person nach damaligem Rechtsverständnis ohne ein Geständnis verurteilt werden durfte, war die Wahrscheinlichkeit, unter Folter alles zu „gestehen“, sehr hoch.

Die Peinliche Befragung
Das Verhör durch einen Richter bestand gewöhnlich aus drei Phasen:

Als erstes wurde die Frage nach einem möglichen Intimverkehr mit dem Teufel, nach der Teufelsbuhlschaft und nach Verabredungen und Treffen mit dem Satan gestellt.

Gab es kein Geständnis, zeigte man den Angeklagten die Folterinstrumente und erklärte ihre Anwendung.

Gestanden die Beschuldigten auch jetzt nicht ihre „Schuld“, dann erfolgte die peinliche Befragung unter Anwendung der genannten Folterwerkzeuge, vorwiegend mittels Daumenschrauben und Streckbank.

Während bei der Befragung der Angeklagten unter dieser Tortur Namen erpresst wurden, erhöhte sich zwangsläufig die Zahl der Verdächtigen. Auf diese Art löste ein Hexenprozess in einigen Orten regelrecht Kettenprozesse aus, und so könnte es in Neubukow gewesen sein.

Rostocks Bürgermeister Matthaeus Liebherr stellte 1667 im Hexenprozess der Anna Gribbenis einen Komplex von Fragen auf, die der Delinquentin im Verhör gestellt werden sollten:

Fragen, die bei der peinlichen Befragung gestellt wurden

  1. Ob sie zaubern könne?
  2. Wer sie die Zauberkunst lehrte?
  3. Zu welcher Zeit und an welchem Ort, auf welche Weise sie zaubern lernte?
  4. Ob sie dabei den wahren Gott verleugnete und einen Bund mit dem Satan machte?
  5. Ob sie einen eigenen Geist habe?
  6. Ob sie sich mit ihm fleischlich vermische?
  7. Verursachte sie mit ihrer Zauberkunst Leuten und Vieh Schaden an Leib und Leben?
  8. Welchen schadete sie?
  9. Brachte sie die Zauberei anderen bei?“

Die Hexenfolter – grausam und menschenverachtend
Die meistgebräuchlichen Instrumente waren Daumenschrauben, Streckbank oder Streckleiter und Fußschrauben sowie die Folterwerkzeuge aus dem Mittelalter wie Brustreißer, „Gespickter Hase und „Spanischer Bock“, die man heute noch in Museen und alten Burgverliesen sehen kann.

Das authentische Protokoll einer Folter aus dem Jahr 1667 gibt detaillierte Auskunft über den Ablauf einer solchen Prozedur.5 Die peinliche Befragung beginnt, während die entkleidete Angeklagte, der man alle Haare geschoren hat, bereits auf der Folterbank liegt. Wenn die Angeklagte ihre Unschuld beteuert, wird die Folter grausam verstärkt. Sie dauert eine Stunde. Im Torturprotokoll sind 19 Fragen und Antworten protokolliert. „Als sie losgebunden ist (nach der Tortur am 7. August), sagt Anna Gribbenis, sie habe viel Unrechtes unter der Folter gesagt. Doch wurde sie so gepeinigt, dass sie nicht anders konnte. Der Wahrheitsgehalt ihrer Aussagen ist hiermit in Frage gestellt. Will sie nicht bei dem Geständnis bleiben? Sie sagt, nun müsse sie wohl dabei bleiben, denn die Folter sei nicht auszuhalten. Nochmals befragt, ob es denn nicht wahr sein, was sie bekannt habe, antwortet sie: „ Sie hette zwar alles auff pein bekannt, wolle aber dabey leben und sterben.“ Dann führt man sie gefesselt ab.

Hexenverbrennung
Die Hexenverbrennung auf dem Scheiterhaufen galt für die Bevölkerung als extremes Abschreckungsmittel und war gleichzeitig ein unterhaltsames Spektakel. Meist wurden die Verurteilten an einen Pfahl gebunden und das nur bis zu den Knien aufgestapelte Holz entzündet. Dadurch erlitten die Verurteilten unvorstellbar schmerzhafte Qualen, denn nicht der Qualm, sondern erst der sich entwickelnde Rauch und das Feuer von zunächst über 100 Grad Hitze fügte ihnen Brandwunden zu und führte zum Erstickungstod. Hin und wieder ließ man Gnade walten, indem man die Verurteilten kurz vor dem Anzünden des Feuers erwürgte.

Argumentation für die Hexenverbrennung
Das Feuer galt als einziges Mittel zur vollständigen Reinigung der Seele, sie also von allen Sünden zu befreien. Gleichzeitig galt die öffentliche Verbrennung als ein exemplarisches Beispiel, da die Qualen, Schmerzen und Schreie der Opfer für alle Anwesenden zu sehen und zu hören waren. So sollte verhindert werden, dass andere zu Ketzern oder Hexen wurden und somit auf dem „rechten Pfad“ blieben. Die Leiden und Schmerzen der zum Tode Verurteilten auf dem Scheiterhaufen entsprachen in den Anschauungen der Zeit etwa dem Fegefeuer der Hölle.

Wegen Hexerei Angeklagte aus Arendsee und Brunshaupten im 16. und 17. Jahrhundert
Frau des S. Jörchen Arendsee 17. Jh. Freilassung auf Bewährung
Gesche Glöde Arendsee 17. Jh. verbrannt am Pfahl/Scheiterhaufen
Claus Schriewer Brunshaupten 1653 verbrannt am Pfahl/Scheiterhaufen
Claus Möller Brunshaupten 1569 Gerichtsprozess nicht durchgeführt, geflüchtet
Leneke Möller Brunhaupten 1569 Freilassung auf Bewährung
Anna Finken Brunshaupten 1653 Freilassung auf Bewährung
Chim Marlow Brunshaupten 1653 gestorben durch Folter oder Suizid
Grete Pentzin Brunshaupten 1653 enthauptet
Lencke Schaumburg Brunshaupten 1653 enthauptet
Tilsche Schriewers Brunshaupten 1653 Ergebnis unbekannt
Anna Becker Brunshaupten 1655 Freilassung auf Bewährung
Chim Hopper Brunshaupten 1655 Freilassung auf Bewährung
Frau Marlow Brunshaupten 1655 Freilassung auf Bewährung
Jacob Hoppener Brunshaupten 1655 Ergebnis unbekannt
Anna Schriefer Brunshaupten 1669 verbrannt am Pfahl/Scheiterhaufen
Anna Möller Brunshaupten 1669 verbrannt am Pfahl/Scheiterhaufen
Anna Wiecken Brunshaupten 1698 verbrannt am Pfahl/Scheiterhaufen
Prütersche Brunshaupten 1698 Ergebnis unbekannt
Lübsch Brunshaupten 1698 Gefängnis, Geldstrafe, Folter oder Gegend verlassen

Wenn Sie noch mehr über die Geschichte „800 Jahre Kirche in Kühlungsborn“ erfahren möchten, können Sie hier das ausführliche Kompendium im eReader anschauen oder als PDF herunterladen.